Ich hasse es normalerweise im Mittelpunkt zu stehen. Dann wen einen jeder anstarrt und darauf wartet, dass etwas Glorreiches und Intelligentes aus dem eigenen Mund kommt, bedeutet das für mich Showtime: Ich laufe an wie eine perfekt gereifte Tomate. 😉 Aber ehrlich gesagt in Albanien komme ich damit aktuell ganz gut zurecht. Die Leute behandeln uns nämlich als wären wir „Very Important People“. Auf der Straße winken uns alle entgegenkommenden Autos wie verrückt zu, beim Überholen ertönen kleine Hupkonzerte und die Fensterscheiben werden heruntergelassen um uns anzufeuern. Am besten sind dann noch die Kinder auf der Straße, die ab und zu die Hand für High Five ausstrecken. Voller Stolz muss ich euch daher noch berichten: Dabei, also beim Einschlagen und gleichzeitigem einhändigen Fahren für fünf Sekunden, habe ich noch nicht den Boden geküsst. Ich warte jetzt also dann auf die Zirkusangebote, ok?

Bart gestutzt, Klamotten sauber

Der erste Stop in Albanien war für uns die Stadt Skhodra. Sie wird mit ihren ca. 140.000 Einwohnern vor allem durch einen riesigen Wochenmarkt dominiert, der sich durch das ganze Zentrum zieht. Gemüse, Obst, Tabak, Käse – alles was das Herz begehrt. Die Preise sind hier im Schnitt ein Drittel von jenen in Deutschland bzw. Österreich. Grund genug für Guille und mich die Marktstände unsicher zu machen und uns in der nonverbalen Kommunikation zu üben. Diese haben wir dann sogar soweit perfektioniert, dass Guille sich auch den Bart schneiden hat lassen. Einer der Kunden konnte nämlich zum Glück etwas Englisch und konnte uns einen ungefähren Preis nennen. 80 Cent und Guille fühlte sich wieder ein richtiger Gentleman. 😉 Das und eine ganze Waschmaschine voller Kleidung. „Ich stinke, die Kleidung stinkt, alles stinkt!“, meckerte Guille zuvor nämlich noch. Wir wuschen immer als per Hand, aber nach ca. einem Monat ist dieses Reinigungssystem an seine Grenzen gestoßen. Lösung: Eine weitere Nacht im Hostel anzuhängen um auch den Trocknungsprozess garantieren zu können.

Wo ist David Beckhams Auto?

Wir quartieren uns also im Florians Backpackers ein. Florian war zwar nicht da, dafür aber ein internationales Pärchen (ein Schotte und eine Dänin), die das Hostel in den nächsten fünf Monaten auf Vordermann bringen wollten. Das hatte es auch echt nötig, denn der Schuppen war echt eine Bruchbude: schmutzig, alte Möbel, kaputtes Bett, stinkige Gemeinschaftsduschen – also alles was das Touristenherz so gar nicht begehrt. Aber dort wo die Hygiene etwas nachließ, half dafür wieder das Zwischenmenschliche nach. Unter anderem hatte der Schotte jede Menge witzige Geschichten über Albanien auf Lager.

  • In Albanien gab es Jahre lang ein Dorf, das mit Marihuana-Plantagen das halbe Bruttoinlandsprodukt von Albanien erwirtschaftete. Am Ende musste das Militär ausrücken um die Plantagen zu vernichten. Lazart in Wikipedia >
  • 2006 wurde das Auto von David Beckham gestohlen. Als es wieder auftauchte, war es im Besitz der Finanzministerin von Makedonien. Anscheinend rühmen sich noch heute die Albaner damit, dass sie es damals gestohlen und ins Nachbarland gebracht haben. 😉 Quelle >
  • Wem was gehört, ist bis heute in Albanien noch nicht ganz geklärt. In der Zeit des Diktators Enver Hoxha (1944-1985) wurden alle Besitzer enteignet. Will daher heute jemand ein Stück Land kaufen, muss erstmals recherchiert werden, wem dies gehörte. Die Besitzer und auch deren nächste Generation sind in vielen Fällen schon verstorben. Dann kann es vorkommen, dass es 30 Erben in der dritten Generation gibt. Auch wenn jedem davon nur ein paar Quadratmeter zustehen, muss jeder davon einwilligen, dass das Grundstück verkauft werden kann. Und dabei wussten viele zuvor gar nicht, dass dieses Stück Land ihrer Familie gehörte. Der Bauboom lässt in Albanien also noch etwas auf sich warten.

Weltuntergangsstimmung

Vollbepackt mit tollen Sachen (frisches Gemüse vom Markt und kuriosen Albaniengeschichten) war unser nächstes Ziel der Koman See, wo wir eine Fähre nach Fierze nehmen wollten. Laut dem Reiseführer Lonely Planet handelt es sich um eine der schönsten Fährenstrecken der Welt. Die Straße schlängelte sich um die Berge und am Wasser vorbei bis wir schließlich in Koman ankamen. Wir hatten uns ein größeres Dorf vorgestellt, was wir sahen waren allerdings zehn Häuser. Es gab keinen Grund zum Anhalten und so ging es direkt zu der Anlegestelle der Fähre. Die Strecke führte einen kleinen Hügel hinauf, neben einer riesigen Staumauer entlang und durch einen halben Kilometer langen Tunnel und endlich hatten wir das Terminal erreicht. Auch hier das gleiche Bild: Nichts. Es gab zwar ein paar Schilder wie Minimarkt, Hotel, Camping aber es waren weder Lichter noch Menschen zu sehen. Noch dazu hatte es vor einer halben Stunden wie in Kübeln zu regnen begonnen. Da standen wir also… Mir graute schon Böses, denn bei diesem Gewitter wäre uns ja selbst das Zelt weggeschwommen.

Inside Camping

Aber wie immer war das Glück auf unserer Seite. 😉 Ein Mann tauchte im Restaurant auf und schnell flüchteten wir ins Innere. Er bot uns einen Campingplatz (sein Verkaufsargument war: Inside Camping) für 1,50 Euro pro Person an. Schnell willigten wir ein. Von nun an weiß ich übrigens, wo Obdachlose schlafen. Lol Wir übernachteten nämlich in einem alten Restaurant, das zwar ein Dach hatte, wo aber drei Fenster fehlten. Das Gewitter, das die ganze Nacht quasi über uns war und sich auch noch mit einem Sturm verbündet hatte, war somit unsere Hintergrundmusik. Zwischenzeitlich kam es mir sogar so vor, dass gleich das ganze Gebäude einstürzen würde. Wacker überstanden wir aber mit unseren Haustieren (es gesellten sich nämlich auch noch zwei Kätzchen zu uns) die Nacht.

 

Am nächsten Morgen hieß es dann nochmals Daumen drücken. Schon am Vorabend war fraglich, ob bei diesem Unwetter die Fähre überhaupt passieren konnte. Nach den letzten drei Tagen, an denen es quasi nur geregnet hatte, waren nämlich weite Teile von Albanien und Kosovo überschwemmt. Später fuhren wir dann auch an Feldern und Landflächen vorbei, die komplett im Wasser standen und kleine Bäche waren plötzlich reißende Flüsse geworden. (siehe zwei Fotos unterhalb). Leider waren anscheinend auch drei Personen vermisst und die Nachrichten voll mit Schadensmeldungen aus dem ganzen Land. Die Fähre funktionierte aber trotzdem und brachte uns heil nach einer dreistündigen Fahrt nach Fierze. Dieses Boot ist immerhin auch das einzige Transportmittel vieler Albaner, die in den Bergen des Sees wohnen. Dort gibt es keine Straßen und alles muss mit der Fähre transportiert werden.

Lass uns Activity spielen!

Im Norden von Albanien gibt es recht wenig Tourismus. Einige Male hatten wir Sprachprobleme, wobei uns des Öfteren ein deutschsprachiger Einheimischer aushalf. Viele davon sind ehemalige Gastarbeiter. Und wenn dann gar nichts mehr ging, dann hieß es „Malen nach Zahlen“. In einem Hotel kurz vor der Grenze vom Kosovo brauchten wir daher fünf Minuten um den Preis des Zimmers herauszufinden. Gerettet hat uns eine Zeichnung mit Strichmännchen! Und Überraschung: ein wenig Englisch spricht man hier doch noch. So wie einer der Dorfalkoholiker (wie uns ein Kellner in einem Restaurant verriet), der uns ein paar Tipps mit auf den Weg geben wollte: „Tirana very cheap, Macedonia gooooood!“ Zu Beginn war der Satz schwer zu verstehen, aber nachdem er das ganze 20 Mal in verschiedenen Stimmlagen wiederholt hatte und noch hinzufügte, „in two months I go to Spain, visit friend“, war uns alles klar und wir zogen weiter. Auf geht’s also Richtung Mazedonien. 😉

Ein Video aus Albanien findet ihr hier >