Wie schnell können bitte zwei Monate vergehen? Nach den letzten 15 Tagen in Griechenland haben wir es also geschafft. Wir sind in Athen und sehen mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf die Fahrradtour zurück. Zunächst will ich euch aber noch von so manchen prekären griechischen Verkehrssituationen und tollen Menschen erzählen.

Ach du liebe Autobahn!

Bereits das Überqueren der Grenze von Mazedonien aus war spektakulär. Wir waren nämlich an einem Grenzübergang gelandet, wo es nur eine Autobahn gab. Nach mehrmaligem Versuch eine Alternativstraße zu finden, wendeten wir den Sackgasseschildern den Rücken zu und es ging „auf die Autobahn“. Zum Glück nur für eine Viertelstunde und ohne viel Verkehr, aber trotzdem mit Tempolimit 120. Unser persönliches Tempolimit lag ja im Schnitt bei 15 km/h. 😉

So freundlich wie uns dann der Grenzbeamte auf der Autobahn empfing, dürfte das dann allerdings Norm sein. Statt uns eine Moralpredigt zu halten à la „Rad auf Autobahn nicht gut“ fragte er erstaunt „How man miles did you already cycle?“ und wollte alles Mögliche über unsere Reise wissen.Nora auf der Autobahn

Griechenland scheint allgemein ein sehr enges Verhältnis zu Autobahnen zu haben. Es ist uns einige Male passiert, dass wir auf einer Schnellstraße unterwegs waren, die sich dann plötzlich in eine Autobahn verwandelte.

Wo es dann aber an ausreichend Beschilderung mangelte, kam ein persönlicher Assistent zum Zug. Ein oranges Servicefahrzeug hatte uns nämlich auf der Schnellstraße gesehen. Als wir dann zwanzig Minuten später zu dem Punkt kamen, wo man noch rechtzeitig von der „neuen“ Autobahn abfahren konnte, stand ein Mann vor diesem orangen Fahrzeug und winkte uns freundlich von der Autobahn. Dieser persönliche Service wurde aber nicht nur uns gewehrt. Ein paar Radfahrer, die wir später mal trafen, erzählten uns, dass für sie sogar ein kompletter Tunnel auf einer dicht befahrenen Straße gesperrt wurde. 😉

Unsere Unterkünfte in Griechenland waren bunt gemischt: Wildcampen, bezahltes Campen – es war zu dieser Zeit sogar ein Campingplatz offen -, Hotels, Hotels und einige Hosts von Warmshower und Couchsurfing.

Hallo und auf Wiedersehen!

Den Beginn machte ein griechisches Pärchen in Larissa. Sie lebten in einer riesigen und wunderschönen Wohnung und waren ungefähr in unserem Alter. Beide waren beruflich in der Politik: Er als Assistent eines Parlamentarier und sie als Projektmanagerin für die EU. Wir quatschen, machten Witze, holten uns ein Bier in einer Bar und taten was wir eben immer tun: sozialisieren. Es hatte auch alles perfekt gepasst. Aber: Nach all den unglaublich netten Chemie nicht so stimmte. Keiner hätte das ausgesprochen und es fanden sich auch genügend Themen über die wir uns unterhalten konnten. Aber bei der Abreise am nächsten Tag war die gewohnte Betrübtheit, dass man sich leider nie mehr wieder sehen wird, nicht da. Wir waren einfach zwei temporäre Gäste, die sich nun wieder verabschiedeten.

Ganz anders war es daMaria und Giorgiosnn einige Tage später in Lamia. Eine Familie, bestehend aus Vater Giorgios, Mutter Maria, zwei Töchtern, einer verrückten Perser-Katze und dem Hund Lucy, hießen uns willkommen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir verbrachten den späten Nachmittag und Abend mit ihnen im Wohnzimmer am Kamin und es fühlte sich an als wären wir Teil der Familie. Sie waren so hilfsbereit, kochten wunderbar leckeres Essen für uns und wollten uns sogar eine Transportmöglichkeit anbieten. Nach diesem Tag erwarteten uns nämlich zwei gigantische Berge, die es in sich hatten. Um uns diese Strapazen zu ersparen, wollten sie uns und die Fahrräder mit ihrem Anhänger auf den Berg bringen. Aber ihr kennt unsere Antwort bereits: Was wir anfangen, bringen wir auch zu Ende.

Wir verließen die Familie am nächsten Tag jedenfalls mit dem Gedanken „so sollte unsere Familie auch mal sein“. Und ehrlich gesagt ist das wirklich eine schlaue Idee: Mehrmals im Monat haben sie über Couchsurfing englischsprachige Gäste bei sich zuhause und sorgen so dafür, dass die Töchter im Alter von 14 und 15 Jahren bereits super Englisch sprechen. Als Zusatz gibt es dann noch jede Menge spannende Reisegeschichten oben drauf. Zum Beispiel von zwei Norwegern, die mit den Motorrädern vom Nordkap nach Südafrika fahren. Coole Sache!

Der Bäcker unseres Herzens

Ah und bevor ich’s vergesse: In Larissa ist uUnser griechischer Bäckerns noch etwas Unglaubliches passiert: Wir haben den nettesten Bäcker der Welt kennengelernt. Er hat uns nicht nur Brot, Brötchen, Weihnachtsgebäck etc. geschenkt (und wollte dafür partout kein Geld nehmen), sondern auch angeboten, dass wir bei ihm zuhause schlafen können. Leider hatten wir an diesem Tag eben schon eine Unterkunft über Couchsurfing organisiert und mussten daher ablehnen. Am Ende half er uns sogar noch die genaue Adresse der Unterkunft herauszufinden und mobilisierte dazu quasi die ganze Straße: einen Mitarbeiter in der Bäckerei, eine Frau vom Geschäft nebenan, einige Kunden der Geschäfte, Passanten auf der Straße etc. Mit vereinten Kräften konnten wir dann doch die richtige Adresse finden.

Meteora und die Magie von Delphi

Auch ein bisschen Sightseeing wollten wir uns in Griechenland nicht entgehen lassen. Daher ging es nach Meteora. Dort befinden sich sechs Kloster auf dem letzten Zipfel von riesigen Felsformationen. Echt atemberaubend, schaut selber.

Delphi (bekannt aus der griechischen Geschichte als das „Orakel von Delphi“) stand ebenfalls auf unserem Plan. Aber diesen mystischen Ort mussten wir uns zuerst noch verdienen. Vor uns lagen zwei Tage Berge, Berge und nochmals Berge. Es war die schwierigste Etappe der ganzen Reise. Am zweiten Tag bedeutete das beispielsweise 1.200 Höhenmeter bergauf um zu einem Skiort zu gelangen. Danach ging es dann nur mehr bergab nach Delphi. Einmal beim Wildcampen war es dort in den Bergen sogar so kalt, sodass das Zelt sogar von Außen angefroren war. Aber es hätte schlimmer kommen können: Jetzt, wo wir bereits in Athen sind, hat es auf diesen Bergen sogar geschneit. (Puh, nochmal Glück gehabt 😉 Das Ganze war die Anstrengung aber durchaus wert: Delphi mit seinen zahlreichen Ruinen und inmitten der Berge hat durchaus etwas Mystisches und Magisches. Es ist schwer zu beschreiben. Es sei nur so viel gesagt: Ich würde diese Mörder-Berge dafür nochmals hochradeln.

Endspurt mit Überraschungen

Und dann fehlten nur mehr drei Tage. Aber so ein Endspurt darf natürlich nicht langweilig sein: Es regnete in Strömen und war wahnsinnig kalt. Am vorletzten Tag kam dann noch ein Boxenstopp dazu. Guille hatte den ersten Platten der ganzen Tour. Mit einem Repairspray war allerdings schnell alles wieder ok. Aber auch mein Fahrrad hatte eine Botschaft für mich: „Du kannst mich mal“. Konsequenz war, dass eine der Bremsen so gut wie nicht mehr funktionierte. Es sollte also ein Zieleinlauf mit Wehwehchen werden. Als glänzender Abschluss verließen wir uns dann wiedermal auf unser GPS (eigentlich hätten wir es mittlerweile besser wissen müssen). Endergebnis waren zwei Stunden, in denen wir das Fahrrad größtenteils durch die griechische Einöde schoben. Der Weg war zwar im Navi als Fahrradweg gekennzeichnet, aber riesige Steinbrocken machten das Fahren, sowohl bergauf und bergab, so gut wie unmöglich. Oh Mann, an dem Tag waren wir echt froh, dass es bald ein Ende hatte.

Zu Gast bei der Fahrradcommunity

Die letzte Nacht verbrachten wir dann in defranzösisches Fahrradpärchenr Nähe von Piräus, dem riesigen Fährhafen von Athen. Wir konnten bei Filippos, einem 38-Jährigen Ingenieur übernachten. Aber nicht nur wir. Zu Gast waren an dem Abend auch eine 51-Jährige Australierin, die seit 7 Jahren (!!!) mit ihrem Fahrrad durch die Welt fuhr und ein französisches Ehepaar (Alter: 59 Jahre), dass dasselbe für 4 Jahre geplant hatte. Aktuell befanden sie sich im 7. Monat ihres Abenteuers. Es war toll sich mit anderen Fahrradreisenden auszutauschen. Es gab zwar hin und wieder Sprachprobleme – das französische Ehepaar konnte nur wenig Englisch – aber das machte das Ganze vielleicht sogar umso lustiger. Es war unglaublich, welche Geschichten alle auf Lager hatten und welche Strecken nun noch alles geplant waren. Genau hier kam dann auch der Wehmut ins Spiel. Und wir? Jetzt ist es vorbei. Kein Radfahren, keine Berge, keine zweirädrige Unabhängigkeit mehr. Daher eben das weinende Auge. Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns vor allem sehr intensiv von dem französischen Ehepaar. Zu ihnen hatten wir einen extrem guten Draht. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil wir mit 59 Jahren auch so sein wollen? (Hier für alle Französischsprechenden ihr Blog >)

Als sie ihre Fahrräder beluden und schlussendlich wegfuhren, hätte ich meines am liebsten auch wieder genommen und wäre mitgefahren. Aber nein, unsere Pläne sind andere. Am 6. Dezember geht’s nach Hongkong und dann auf die Philippinnen – und das eben ohne Fahrrad. Aber eines weiß ich jetzt schon: Es wird bstimmt nicht unsere letzte Fahrradreise gewesen sein. 😉