Peru war ein Traum. Und zwar einer, der in Form von unvorstellbar hohen Bergen, kunterbunten Trachten, netten Einheimischen und leckeren supergünstigen Mittagsmenüs daherkam. Jeder Traum hat aber natürlich auch ein Ende und so machten wir uns nach zwei Monaten auf dem Landweg auf nach Chile. Hier war plötzlich alles anders. Statt mittelklassigen Reisenden waren wir plötzlich arme Backpacker. Es waren aber nicht nur die Preise, die uns kurze Zeit in eine Anti-Peru-Depression verfallen ließen. Wieso sich das Ganze aber von Norden nach Süden komplett verändert hat…

Wer lange Busfahrten nicht übersteht, ist in Südamerika leider am falschen Ort. Nach unzähligen Langstreckenbussen – der Rekord war in Peru einer mit 32 Stunden – stand auch nach Chile Bushopping am Programm. Als wir es dann endlich über die Grenze schafften, waren wir sehr gespannt. Wie wird Chile wohl sein? Wie sind die Menschen dort? Wie ist die Landschaft? etc.

Das erste Mal in Chile

Dann aber die Ernüchterung. Ein Surf-Ort, der in unserem Reiseführer als supertrendig mit Sommer-Flair beschrieben wurde, entpuppte sich als ein Kaff am Meer. Es gab dort außer jede Menge Baustellen nichts. Man muss fairerweise sagen, dass es gerade Nebensaison war und wir unglücklicherweise an einem Feiertag ankamen. Statt dort zu übernachten, bevorzugen wir dann lieber einen Nachtbus in die nächste Destination zu nehmen. Trotzdem hatten wir noch um die zehn Stunden, die wir auf unseren Bus warten mussten. Das erste Mal in Chile, da wollten wir wenigstens gleich das Kulinarische ausprobieren. Nach einem Mittagsmenü war es dann am Abend äußerst schwierig etwas Essbares zu finden. Doch als wir uns plötzlich dem McDonalds der Stadt näherten, schien hier das ganze Dort versammelt zu sein. Wir taten es ihnen gleich. Als wir dann aber für zwei Menüs umgerechnet über 15 Euro bezahlten, wussten wir bereits: aus war es mit den budgetfreundlichen Destinationen. Preislich waren wir eindeutig in Europa angekommen.

Nächster Stopp war dann eine Minenstadt, die sich gleich neben einer Wüste befand. Sie ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen im Land. Die Stadt, Calama, hätten wir uns allerdings sparen können. Somit verzeichneten wir einen zweiten Fail. So wird das nichts mit Chile und uns, dachten wir.

Wir hatten ehrlich gesagt auch etwas Probleme mit den Chilenen. Ihr Charakter ist, sagen wir mal so, etwas speziell. Sie kommen sehr seriös und etwas missmutig rüber. Im Gegensatz zu Peruanern, die alle sehr zuvorkommend und freundlich sind, ein krasser Unterschied. Das Beste ist dann noch die Trinkgeld-Regelung. Nachdem man im Restaurant ohne „Bitte“ und „Danke“ bedient wurde und einem der Teller förmlich auf den Tisch geknallt wurde, wird man ganz schief angesehen, wenn man jetzt nicht die zehn Prozent Trinkgeld zahlt. Freundlichkeit wird in Chile also eindeutig nicht überbewertet.

Flucht nach Bolivien

Unsere Reisemoral war dann etwas im Keller. Von unseren drei Reisemotivationen a) nette Menschen b) geniales Essen und c) traumhaft schöne Landschaften war keine mehr übrig. Zum Glück waren wir an der bolivischen Grenze und gleich in der Nähe von der Salar de Uyuni, einer berühmten Salzwüste. Wir wurden also zu Grenzflüchtlingen und verbrachten einige Tage dort und sahen uns auch noch eine weitere bolivianische Stadt (Potosí) an. Im Gegensatz zum reichen Chile sieht man in Bolivien, dass der Lebensstandard etwas niedriger ist. Wir wurden aber endlich wieder von freundlichen Gesichtern begrüßt. Also definitiv Balsam für die Seele. Die Salzwüste ist außerdem ein echtes Naturspektakel. Man sieht ewig weit unendliche, weiße Landschaft und plötzlich taucht im Nichts eine Insel mit uralten Kakteen auf.

Trotzdem war es dann aber wieder an der Zeit nach Chile zurückzukehren. Wir hatten nämlich im Vorfeld schon einige Flüge gebucht und auch eine viertägige Schiffstour geplant. Diesmal hielten wir uns aber nur so kurz wie möglich im Norden auf und flogen gleich in die Hauptstadt. Big City Life in Chile, mal schauen, wie sich das auf das Gemüt der Chilenen auswirkt.

Santiago de Chile

Santiago ist wahnsinnig sauber, hat viele Grünflächen, zahlreiche Cafés und Restaurants und ein Flair, das etwas an eine spanische Großstadt erinnert. Leider hängt kontinuierlich Smog über der Stadt. Bei gutem Wetter ist aber die immense Bergkette, die die Stadt umzingelt, zu sehen. Auf einige Aussichtspunkte führt ein kurzer Wanderweg, der einen die Dimensionen der Stadt erahnen lässt. Das Interessante ist auch: ehrlich gesagt gibt es hier relativ wenige Sehenswürdigkeiten. In zwei Tagen hat man locker alles gesehen. Trotzdem hat uns die Stadt aber wahnsinnig gut gefallen. Sie ist sehr einladend und man fühlt sich gleich wohl. Endlich also auch mal ein Pluspunkt für Chile.

Blick über Santiago

Patagonien – An das Ende der Welt

Chile ist über 4.000 Kilometer lang, dafür aber nur 400 Kilometer breit. Von Norden nach Süden zu kommen, ist eine logistische Herausforderung. Wer nicht in einem Bus mit zigmal Umsteigen vergammeln will, muss fast fliegen. Das taten auch wir und kamen somit im südlichen Chile, in Patagonien an.

Die Atmosphäre in Patagonien ist eine ganz eigenartige. Dieser Teil des Landes ist extrem spärlich besiedelt. Auf einen Quadratkilometer kommen 0,4 Personen. Diese Leere wird auch ganz gut an der unendlichen Weite sichtbar. Es ist alles flach, nur am Horizont sind dann wahnsinnig viele Bergketten zu sehen. Selbst diese Berge sind aber nicht hoch und kommen vielleicht gerade mal auf 1.000 Meter Höhe. Die ersten Menschen, die Patagonien in der Neuzeit besiedelten, kamen erst vor ca. 150 – 200 Jahren. Davor gab es nur ein paar indigene Völker, die angeblich den ganzen Weg von Alaska zurückgelegt hatten. Die jüngsten Städte sind oft erst 50 Jahre alt. Es waren aber nicht nur Chilenen aus dem Norden oder Spanier, die sich in den Süden vorgewagt hatten. Vor allem europäische Auswanderer (Kroaten, Italiener, Deutsche, Schweizer, Franzosen etc.) waren für die Entstehung der Siedlungen verantwortlich.

Die Bedienungen sind sehr rau. Die Nähe zur Antarktis ist am Klima spürbar. Zudem regnet es überdurchschnittlich viel. Zur Folge hat dies aber auch, dass die Natur hier atemberaubend ist: die Südküste wird von riesigen Fjorden dominiert, im Norden Patagoniens gibt es eines der größten Gletscherfelder der Erde, Bergketten sind ein ständiger Begleiter am Horizont und das Grün ist so saftig, dass es oft wie gemalt aussieht. Dazwischen tummeln sind Pinguine, Füchse, Seerobben, Wale, Delphine etc. Ein wahres Paradies und genau hier hat uns auch die Faszination Chile so richtig gepackt.

Pit-Stop in Argentinien

Chile und Argentinien teilen sich Patagonien zwischen sich auf. Eines der Highlights liegt dabei in El Calafate, im argentinischen Teil. Es handelt es sich bei dem Perito Moreno um den drittgrößten Gletscher der Erde. Als Tourist kann man diesem ganz nahekommen und einige Naturschauspiele mit der Kamera festhalten. Von Zeit zu Zeit krachen nämlich riesige Eisbrocken ins Meer und machen einen Heidenlärm. Echt beeindruckend!

Das Wetter während dieser ersten Wochen war keine Überraschung. Bitterkalt, windig, sehr verregnet, aber dennoch ließ sich auch die Sonne ab und zu blicken. Noch extremer wurden die Wetterverhältnisse dann im beliebten Nationalpark Torres del Paine. Das wussten wir allerdings schon im Vorhinein. Wir stellen uns auf Wind bis zu 120 km/h und Dauerregen ein. Geplant hatten wir vier Übernachtungen auf Campingplätzen. Die ersten drei Tage meinten es eindeutig sehr gut mit uns. Tag eins überraschte uns mit einem blitzblauen Himmel und absoluter Windstille. Gletscher, riesige treibende Eisbrocken in den Seen und traumhafte Berglandschaft kamen dabei noch besser zur Geltung. Dafür war die Nacht im Zelt eisig. Es schien fast als ob die Kälte der Antarktika sich über den Boden bemerkbar machte. Tag zwei und drei war bewölkt und perfekt zum Wandern. Erst am Abend des dritten Tages verteidigte der Nationalpark seinen Ruf. Es fing an zu regnen. Noch bei bester Laune und nach einer recht warmen Nacht am Campingplatz – der Regen hatte nämlich wenigstens für etwas weniger Abkühlung gesorgt – starteten wir.

Wieso unser Zelt kein Schlauchboot ist

Unsere Motivations-Argumente lagen auf der Hand. Wir waren die Glücklichen, die absolut perfekte drei Tage genießen durften. Da wird so ein bisschen Regen wohl nichts ausmachen. Die Moral sank aber schnell. Spätestens als wir mehr im knöcheltiefen Wasser als auf trockener Erde wanderten, war es damit vorbei. Alle schönen Zauberwörter wie Gore-Tex oder Regenschutz für Rucksäcke verloren ihre Magie. Wir waren von oben bis unten nass und durchgefroren. Das war aber nicht das einzige Problem. Kleine Bäche, die im Ursprungszustand vielleicht einen halben Meter breit waren, mussten plötzlich über eine Länge von zwei bis drei Meter überquert werden. Not fun…

Nach über fünf Stunden Wanderung, war es endlich soweit. Wir checkten am Campingplatz ein, schafften es irgendwo noch unser Zelt aufzubauen und sprangen in die heiße Dusche. Ernüchterung kam dann bald darauf: die ehemals trockene Kleidung im Rucksack hatte sich dem Motto des Tages angepasst. Auch das Zelt war vom Vortag total durchnässt. Aber ehrlich gesagt, war das auch schon egal. Denn das Wasser kam von allen Seiten. Die ehemalige Grünfläche, auf der unser Zelt stand, hatte sich in einen riesigen Sumpf verwandelt. Hätte uns jemand Paddel gegeben, hätten wir uns den darauffolgenden Bus in die Zivilisation erspart und wir wären selbst gerudert.

So abrupt brach also dann an Tag vier unserer idyllischen Wandertour ab. Wir waren aber nicht die einzigen. Von allen Seiten des Parks näherten sich genervte und triefende Wanderzombis. Der Bus war quasi unsere Rettung. Später hörten wir nämlich, dass einige Touristen an bestimmten Campingplätzen festsaßen und warten mussten, bis bestimmte Wege wieder passierbar waren. Der halbe Nationalpark war quasi gesperrt. Die schlimmste Wanderung in meinem Leben endete ganz glücklich in dem gemütlichsten Bett der Welt. Die  zwei Chilenen, die im Mehrbettzimmer neben mir um die Wette schnarchten, waren mir in dieser Nacht aber so etwas von egal.

Eines der Highlights der letzten 13 Monate

Nach diesem Horrortrip und weiteren verregneten Tagen, die wir uns aber mit Vulkanen, Wasserfällen, Seen und ein paar Pinguinen versüßten, ging es dann diesmal freiwillig aufs Wasser. Wir hatten für drei Nächte eine Fähre gebucht, die uns durch die chilenischen Fjorde führen sollte. Wir waren nun in dem Teil Chiles angekommen, wo es mit am meisten regnete. Aber egal, wir waren ja am Boot.

Der Trip war ein Wahnsinn. Das Wetter war spektakulär gut. Selbst der Kapitän und unser Touristenführer an Bord meinten, dass es in den letzten acht Jahren selten so gutes Wetter gab. Ich liebe Karma! Nach der Wasserschlachten im Nationalpark hatten wir uns das aber ehrlich gesagt auch verdient.

Das, was wir gesehen haben, in Worte zu fassen, fällt echt schwer. Es war quasi die perfekte Symbiose von Wasser, Bergen und Natur. Das Schiff war dabei keinesfalls luxuriös. Es handelt sich um eine Autofähre, die auch Touristen aufnimmt. Die Kabinen sind ok – dank Nebensaison hatten wir ein Upgrade auf eine private Kabine bekommen -, das Restaurant erinnert an eine Schulkantine und ganz in diesem Sinne gab es auch Gemeinschaftsduschen. Wir fühlten uns ehrlich gesagt auch wie in einem Internat, aber das absolut im positiven Sinne. Bereits am Tag eins hatten wir unsere Clique (einige Deutsche, ein Franzose und ein Irländer), mit der wir die ganze Zeit unterwegs waren (also vom Bug zum Heck an Deck;-), verbotenerweise geschmuggelten Alkohol in der Kabine tranken (ich hatte ja gesagt, so richtiges Internatsfeeling eben), konnten uns Vorträge über Flora und Faune von Patagonien anhören und hatten einfach eine geniale Zeit. Unser Tagesablauf war dabei keineswegs spektakulär: wir aßen drei Mal am Tag und verbrachten so viel Zeit an Deck wie nur möglich. An der Schönheit der Fjorde kann man sich nämlich auch nach vier Tagen nicht satt sehen. Eine der Hauptbeschäftigung war unter anderem das Whale-Spotting. (Wale suchen) Insgeheim wussten wir allerdings, dass es nichts werden wird. Die eigentliche Walsaison startet nämlich erst im Dezember. Und trotzdem hatten wir das Glück. Neben Robben, kleinen Pinguinen und zwei Delphinen schwammen auch kurze Zeit Killerwale (Orkas) neben unserem Schiff her. Wir konnten unser Glück gar nicht fassen!

Ach und übrigens: Guille ist am Boot auch kurze Zeit berühmt geworden. Zufällig waren gleichzeitig auch ein Kameramann und ein Fotograf an Bord. Sie drehten gerade den neuen Werbefilm für die Fährengesellschaft. Kurzerhand wurden wir alle irgendwann mal zu Fuß-, Hand-, Kapuzen- und sonstigen Körper- und Kleiderteile-Models. Guille dann auch gleich mehrmals. Und wer Guille kennt, weiß, dass er das hasst. Haha. Aber that’s life. Killerwale gibt’s eben nicht gratis. 😉

Das Ende der Reise am Ende der Welt

Alles war also perfekt. Wir schwebten auch nach dem Gang an Land noch im siebten Bootshimmel und waren uns einig: das war definitiv eines der besten Dinge der ganzen Reise. Das zu toben, war schwer und hatten wir auch nicht vor. Ohne Stress ging es dann noch nach Ushuaia (wieder in den argentinischen Teil von Patagonien). Der blaue Himmel wich nicht von unserer Seite und wir konnten nochmal erleben, wie das Ende der Welt so ist. Von hier fahren nämlich die Boote in die Antarktis ab. Kostet bei viel Glück und einem Last-Minute-Angebot auch nur knappe 5.000 Euro. Tja, das machen wir dann wohl in einer nächsten Reise – oder im nächsten Leben? 😉

Tja, das war es dann wohl

Aber man weiß ja nie, was in der Zukunft passiert. Träume sind schließlich dazu da, um erfüllt zu werden. Wer hätte vor einigen Jahren schließlich gedacht, dass wir tatsächlich eine Weltreise machen. Und jetzt, wo wir am Ende unserer Reise sind, ist das ein verdammt gutes Gefühl. 13,5 Monate Abenteuer, 412 Tage, in der wir unsere einzigartige Erde bereisen konnten. Zeit, die uns niemand mehr wegnehmen kann. Klar, wir hätten uns um den gleichen Preis ein schickes Auto oder jeeeede Menge tolle Handys, Laptops und Markenartikel kaufen können. Dinge, wo manche glaube, dass man länger etwas davon hat. Aber alles hat einen Wertverlust. Nur eben das Reisen nicht.

Wir freuen uns riiiesig auf Zuhause, sind aber natürlich auch etwas melancholisch. Wir hoffen, dass das mit der Eingliederung in den Alltag ohne Probleme funktioniert. Zumindest ein Teil des Grundgerüsts (Jobs, Wohnung etc.) steht ja schon. Jetzt fehlen nur noch wir. Und diesmal in einer geduschten, frischen und zivilisierteren Version. Keine Sportkleidung rund um die Uhr, kein Rucksack als Dauerbegleiter und ein eigenes Bett (Wow!) Alltag wir kommen!

Bis sehr sehr bald!

Nora & Guille