Es war kalt, der Himmel hätte grauer nicht sein können und es regnete in Strömen – so begrüßte uns Mazedonien als Neuankömmlinge in ihrem Land. Zusammen mit turbulenten Straßenverhältnissen also kein perfektes erstes Date. Wieso uns aber Skopje als futuristische Superlative durchaus beeindruckt hatte, erfahrt ihr gleich.

Weltuntergangsstimmung an der Grenze von Kosovo zu Mazedonien. Überall auf der Straße waren riesige Wasserpfützen, die teilweise sogar die ganze Breite der Straße ausfüllten. Wären wir nicht sowieso schon drei Stunden im strömenden Regen gefahren, hätten uns die vorbeifahrenden Autos mit ihren Wasserfontänen vielleicht auch gestört. Aber so war es eben „nur“ ein bisschen mehr Wasser. Die Stimmung war bei uns dafür auch ganz in Ordnung. Regenwetter – ist halt mal so.

Wir kamen zur Grenze, überholten eine riesige Schlange von Autos (mit einem „Wir sind ja nur arme Radfahrer, die sonst nass werden“-Gesicht), sahen einer kleinen Rangelei mit den Grenzbeamten zu und schon waren wir in einem neuen Land. So richtig wollte Mazedonien uns aber nicht. Es gab genau eine Straße, die vom Norden in den Süden nach Skopje führte. Und genau dort waren nach ein paar Kilometern andauernd Schilder, die Radfahren auf der Straße verbot. Hmmm blöd, wo ist denn die Alternativstraße? Die gab es nicht. Statt uns in Luft aufzulösen, fuhren wir also weiter.

„Nora entspann’ dich mal!“

Aber nicht ohne eine dicke, fette Sorgenfalte auf der Stirn (Anmerkung: Noras Stirn) zu haben. Wir hatten nämlich von einem Kroaten schon eine Geschichte von einem längeren Tunnel in Bosnien- und Herzegowina gehört, der weder über Licht noch über eine Tunnellüftung verfügt. Als Radfahrer in so einem Tunnel zu sein, wenn plötzlich viele Autos bei laufendem Motor anhalten, ist, sagen wir mal, eher ungünstig. Meine Sorge war nun die ganze Zeit, dass jetzt so ein Tunnel um die Ecke kommt. Wieso sonst so ein Schild?

Wer mich kennt, weiß ja, dass ich allgemein der unentspannte Teil von uns beiden bin. Aus dem Stehgreif kann ich schnellstens eine Palette aller möglichen Gefahren aufzählen. (Bären, Autobahnen, wilde Hunde, Minen etc.) Das „Wenn“-Wort ist also eines meiner Freunde, während es Guille schon des Öfteren zur Weißglut gebracht hat.

1:0 für Guille, es war kein lebensbedrohlicher Tunnel auf der Strecke. Bis heute wissen wir nicht, wieso sich dieses Schild dort befand. Unsere Vermutungen, dass wir abschnittsweise auf der mazedonischen Autobahn unterwegs waren, haben sich ebenfalls nicht bestätigt. Das Wichtigste war schließlich auch das Resultat: Wir sind heil in Skopje angekommen.

Die seltsamste Stadt Europas

Diesen Titel können wir ohne mit der Wimper zu zucken, vergeben. Grund dafür ist vor allem die aktuelle Regierung: Mit einem speziellen Projekt sollte die Stadt verschönert werden – und nebenbei noch Millionen von Euros aus dem Fenster geworfen werden. Das führte dazu, dass in den letzte paar Jahren 20 neue Gebäude und 40 Monumente errichtet wurden. Aber nicht irgendwelche: drei riesige Piratenschiffe, einen Arc de Triumph, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende, von griechischen und römischen Statuen, zahlreiche neue Museen und Regierungsgebäude etc. Bei einer Free Walking Tour erfuhren wir sogar, dass demnächst ein neues „Copy-Paste“-Monument erbaut werden soll: Die Spanische Treppe à la Rom. In Kontrast steht das Ganze zu einer Altstadt mit einem riesigen türkischen Bazar, einer alten Steinbrücke und zahlreichen Moscheen. Ah und fast hätt ich’s vergessen: Die Busse sind ganz im englischen Stil rote Doppeldecker. Schwer zu beschreiben, das muss man einfach selbst gesehen haben.

Unser Null-Grad-Erlebnis

Nach Skopje war unser nächstes Ziel die griechische Grenze. Es hätte zwar noch zwei, drei nette Sehenswürdigkeiten im Land gegeben, aber alle waren in der gebirgigen Region im Westen des Landes. Somit war unsere Richtung bereits vorbestimmt.

Außerhalb von den wenigen touristischen Orten in Mazedonien ist es schwer eine Unterkunft zu finden. Das mussten auch wir an diesem Tag am eigenen Leib erfahren. Wir waren gerade im Landesinneren unterwegs und man merkte, dass die Temperaturen immens gefallen waren. Weit und breit gab es aber weder große Dörfer geschweige denn hotelähnliche Gebäude. Die einzige Alternative war daher wieder unser Zelt.

guille_campen_kaltAn diesem bitterkalten Abend führten wir sogar eine Katzenwäsche durch. 😉 Das bedeutete: Einen kleinen Topf mit warmem Wasser und eine Portion masochistische Veranlagung. Da standen wir also splitterfasernackt im Wald bei – Achtung das haben wir erst am nächsten Tag durch Google erfahren – Null Grad. Als Guille dann wieder seinen Pyjama an hatte, legte er sich auf einmal auf den Waldboden und fing an Liegestütze zu machen. „Was machst du bitte?“, war meine Frage. „So wird mir wieder warm“, antwortete er. Kälte macht also durchaus erfinderisch. 😉

Bei diesem Wetter war auch im Zelt nicht viel anzufangen. Die meisten Tätigkeiten (Lesen, Schreiben, mit dem Handy spielen etc.) erfordern nämlich, dass sich zumindest die Hände außerhalb des Schlafsacks befinden. Definitiv ist aber die Würmchenposition – also Schlafsack bis oben hin zugezogen – die beste Lösung. Wir hatten schon einige Abende, welche nicht zur Freikörperkultur aufriefen, im Zelt erlebt. Was war also unsere Beschäftigung? Filme und Serien schauen. Das war einer der Gründe, wieso wir in Windeseile die beiden ersten Staffeln von „Narcos“ und schon fast die erste von „Americans“ durch hatten. Für alle Serienfans also: Beide sind echt zu empfehlen!

Der nächste Tag ging nicht viel wärmer weiter. Somit war ich als fahrende Zwiebel unterwegs. In meinem Fall: T-Shirt, langes Merino-Shirt, langer Pullover, Radjacke, Regenschutz. Zwei Paar Socken und zwei Handschuhe übereinander. Der Weg war zu Beginn noch ganz ok, aber dann befanden wir uns plötzlich auf einem Waldweg mit Erde, Schotter und Wasserpfützen. 30 Kilometer ging es so dahin. Das sind Tage an denen man das mit dem Radfahren am liebsten gelassen hätte. (Im Video ab Minute 3 gibt’s mehr dazu >) Um aber nicht schon wieder als eisgekühltes Würmchen im Zelt zu landen, mussten wir uns sputen und an diesem Tag 100 Kilometer schaffen. Eine Stadt mit Hotels war unsere Prämie. Fünf Minuten bevor es zu dämmern begann, schafften wir es auch wirklich anzukommen. Man sollte das Radfahren um diese Jahreszeit nämlich nicht unterschätzen. Bei schlechtem Wetter wurde es nämlich schon zwischen 16 und 16:30 Uhr dunkel.

Wie die Könige residierten wir an diesem Abend in einem Billighotel und heizten das Zimmer bestimmt jenseits der 30 Grad ein. 😉 Als Einstimmung auf Griechenland? Das erfahrt ihr beim nächsten Mal.