Endlich angekommen. Unser Hostel in Prizren. Nach dem obligatorischen Händeschütteln mit dem Rezeptionisten, konnten wir unsere Fahrräder neben dem Empfangsbereich verstauen. Kurze Besichtigungstour mit Zwischenstopp im Mehrbettzimmer, Bad und WC und schon wurde uns der erste Tee angeboten. Da konnten wir nicht nein sagen. Genauso wenig wie zum Bilderbuch-Vortrag und zur privaten Stadttour. Willkommen im besten Hostel der Welt!

Kosovo: Ein Ort, den wohl nur die wenigsten besuchen würden. Denn da herrscht ja noch Krieg, stimmt’s? Zumindest war das vor einigen Monaten auch noch meine Sicht der Dinge. Bis mich zum Glück eine Arbeitskollegin fragte: „Wo geht’s denn hin?“ „In alle Balkanländer, die auf der Strecke liegen – außer Kosovo, das ist uns zu gefährlich“, war meine Antwort. Doch genau diese Kollegin war bereits einmal in Kosovo auf Urlaub gewesen und konnte nur das Allerbeste berichten: „Die Leute sind so freundlich und es ist supersicher.“ Danke, nun war unser Entschluss gefasst. Auch dort wollten wir hin.

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Selfie mit Kosovo-Girls 😉

Autofahren wie im Westen

Im Kosovo leben 88 % Albaner. Wir kamen von der albanischen Grenze und man dürfte meinen, dass zu Beginn kein großer Unterschied zwischen beiden Ländern festzustellen ist. Trotzdem: Gleich nach dem Grenzübergang steht ein Schild mit „Serpentine“, das vor der kurvigen Strecke warnen sollte. Mhm erinnert irgendwie an Mitteleuropa. Die Straßen sind in bestem Zustand. Wo sind die Schlaglöcher hin? Und auch die Autos sehen wir auf einmal im völlig neuen Licht. Teilweise sogar seitenverkehrt. Da hat wohl England ein paar Autos dagelassen. Wäre doch sehr schade mit den relativ guten Autos in albanischem Schneckentempo zu fahren, dachten sich also die Kosovaren und glühten dahin. Hallo Kosovo, adios Fahrradparadies.

Was ich damit sagen will: Der Westen hat den Kosovo extrem geprägt. Nicht nur im Fahrstil. Noch heute ist die internationale Militärpräsenz sehr stark zu sehen. In den insgesamt fünf Tagen, die wir dort verbrachten, sind uns Soldaten aus allen möglichen Ländern untergekommen: Türkei, Italien, Österreich, USA,… und vor allem Deutsche. Einmal sogar eine Kolonne von fünf riesengroßen Militärfahrzeugen. Ich nannte sie Panzer, was Guille daraufhin empörte. Da fehlte das Teil zum Schießen. 😉 Daher nennen wir sie einfach riesige Raupen.

Aktuell ist der Kosovo extrem sicher und es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Hauptproblem ist einfach noch, dass Serbien den Kosovo nicht als Staat anerkennt.

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Mit mehr Verkehr und leider auch wieder mehr Gegenwind und Regen war unser erstes Ziel die Stadt Prizren. Das kulturelle Zentrum des Kosovos, wie viele Einheimische stolz betonen. Hier kommt nun unser Hostel ins Spiel. Das von Edis und seinem Bruder nämlich. Letzterer war es also, der uns gerade einen Tee zubereitete. Und dann fing die Geschichtsstunde an. Bewaffnet mit zwei Büchern gesellte er sich zu uns und blätterte Seite für Seite vor uns die Highlights der Stadt auf. Da saßen wir nun und es war einfach toll. Er war einer von jenen, denen man ewig zuhören kann. Voller Stolz präsentierte er uns alle Kleinigkeiten der Stadt. Da gab es die Festung im Winter, ah und da im Sommer. Und fünf Minuten später durfte natürlich auch eine Aufnahme mit den schönen Herbstfarben nicht fehlen. Ok, die Festung kannten wir also schon in und auswendig. 😉

Das Wissen schien schon fast aus unseren Köpfen zu quillen, daher beschlossen wir, dass es erst Mal Zeit für eine Dusche sei. Gesagt, getan und 30 Minuten später wollten wir uns auf den Weg in die Stadt – nein nicht die Bilderbuch-Version, sondern die echte, lebensgroße – machen. Wir passierten also ein Zimmer, wo der eine Bruder seinen Stammplatz hatte. Plötzlich meinte er kurz „Wait!“, nahm seine Jacke und schon stand er mit uns gemeinsam auf der Straße vor dem Hostel. Zuvor hatten wir ihn noch nach einem Restaurant gefragt, eines wollte er uns auf der Karte zeigen. Auf der Karte… Spontan gab es nun eine 20-minütige Tour zu den wichtigsten Orientierungspunkten der Altstadt. Ja genau und da war ja die Festung wieder. 😉 Aus einem Restauranttipp wurde dann übrigens gleich eine Handvoll. Der Ablauf war immer derselbe: Unser spontaner Tourguide vorne vorweg, Guille als zweiter und ich als dritter. Rein ins Restaurant, hin zur Theke, Präsentation der typischen Gerichte in der Auslage und wieder hinaus. Wer jetzt schon einmal in Asien auf Urlaub war und glaubt, dass das alles Vermittlungen von Touristen auf Provisionen waren, der irrt. Es war alles total zwanglos, damit wir eben einfach ein paar lokale Tipps mit auf den Weg bekamen.

Zwei Brüder – unterschiedlicher geht’s nicht

Das war also jetzt der erste Bruder: Mittleren Alters (Schätzung: etwas über 40), seelenruhig, herzensgut und immer auf das Wohl seiner Gäste aus. Den zweiten, Edis, lernten wir dann am nächsten Tag kennen: 44, super sportlich (so ein Ultraläufer, -radfahrer, -skifahrer etc. wie Guille), total aufgedreht und so quasi der „Oberchecker“ der beiden. Aber auch er war einfach ein Wahnsinn: Man konnte nicht einmal an ihrem Zimmer vorbeigehen ohne sich weitere Tipps für die Stadt abzuholen, gemeinsam eine weitere Tasse Tee zu trinken oder sich einfach diverse Youtube-Videos über die Geschichte des Kosovos anzusehen.

Ich will jetzt gar nicht zu sehr ins Detail gehen. Wir waren zwei Nächte dort, es kam mir vor wie eine Woche. Und Fakt ist: Der Abschied fiel mir echt schwer. Ich habe mich dort so extrem wohl gefühlt. Hätte mich jemand gefragt, ob ich für ein Monat im Hostel aushelfen will, ich hätte bestimmt ja gesagt. Daher unser Prädikat: das beste Hostel der Welt!!!

Ah genau, jetzt hatte ich euch gar nichts von der Stadt erzählt: Prizren war toll. Mit seinen Moscheen, der Festung (haha ist das letzte Mal, ich versprech’s) und tollen Bars und Restaurants. Trotzdem verabschiedeten wir uns nach zwei Tagen. Mazedonien wartete auf uns.

Die Etappe des nächsten Tages war wenig spektakulär: Viel bergauf, vorbei an zahlreichen schneebedeckten Bergen (ja im Kosovo kann man auch Skifahren), ein wenig bergab und jede Menge Verkehr.

Wie hat Heidi das gemacht?

Mit Unterkünften war es im Kosovo außerhalb der größeren Städte Mangelware. Dafür fanden wir ein nettes Plätzchen an einem Fluss. Das sollte es dann wohl für diese Nacht sein. Als wir also mitten im Zeltaufbau waren, hörten wir plötzlich ein paar Glöckchen. Ganz im mitteleuropäischen Stil war unser Gedanke „ui, jetzt gibt’s Probleme mit dem Wildcampen“. Was dann um die Ecke kam, war eine Horde Ziegen, fünf Hunde und zwei Peter. Die Begrüßung ging noch so einigermaßen, auch der Satz „1 Euro“ ging ihnen noch gut von den Lippen, aber ab dann gab es Sprachprobleme. Übrigens: Ganz brav zahlten Guille und ich die Euromünze, da wir zu Beginn wirklich noch dachten, dass es sich um ihr Stück Land handelte. Nach fünf Minuten waren wir eines Besseren belehrt. Die beiden Burschen (der eine 20, der andere 27) waren wirkliche Spaßvögel und auf keinen Fall Grundbesitzer, sondern eben zig-fache Ziegenbesitzer. Die Ziegenmilch mussten wir dann nicht nur kosten, sondern gleich selber melken. Ich habe kläglich versagt, wie das Video beweist (ab Minute 2 gibt’s die Melksession).

Ich glaube, dass sie uns die ganze Zeit Schimpfwörter beibringen wollten. Die habe ich teilweise wie ein Papagei nachgebetet, was zu schallendem Gelächter führte und dazu, dass einer der Brüder als mein Ehemann mit nach Österreich bzw. Deutschland kommen wollte. Uns wurde danach die ganze Ziegenherde namentlich vorgestellt und auch die Hirtenhunde bekamen ihren Auftritt. Zum Ende hin war dann irgendwas mit einem Hund ihr Top-Gesprächsthema. Wir hatten keinen Tau. Aber gut. Als wir uns verabschiedeten meinten wir, dass es das jetzt gewesen wäre. Jetzt stand schließlich Wichtiges am Plan: das Abendessen. Wir trafen unsere Vorbereitungen. Das Wasser war noch im Zelt. Dann hol ich das doch schnell. Reißverschluss auf und … plötzlich saß einer der Hunde, ein schwarzer Kleiner, inmitten unserer Schlafsäcke und Isomatten. Und da war es auf einmal auch nass im Zelt. Erster Gedanke: „Heute schlafe ich in Hundepipi.“ Aber es gab Entwarnung: Es war nur Wasser vom Fluss. Der Hund lief nach seinem kinoreifen Auftritt brav heim und hundelos endete der Abend.