Das Gefährliche beim Reisen sind die Erwartungen. Nur zu gerne idealisieren wir ein Land. Wir glauben, dass es JETZT der Urlaub unseres Lebens werden muss. Überraschung: in diesem Fall lässt die Enttäuschung nicht lange auf sich warten. Niemand ist perfekt, das gilt auch für Urlaubsdestinationen. Fernab von Enttäuschungen blicken wir nun aber auf die vergangenen drei Wochen in Taiwan zurück. Wir haben uns wiedermal verliebt. Diesmal in 3.000 Meter hohe Berge, in ein Wetter, das Kapriolen als zweiten Vornamen hat und in eine Sprache, die uns ein Leben lang ein Rätsel sein wird.

In diesem Fall haben wir also alles richtig gemacht. Vor 3,5 Wochen waren wir noch im Herzen von Südostasien, in Vietnam. Es war eine traumhaft schöne Erfahrung und definitiv eines der Lieblingsländer auf unserer Liste. Aber die Hitze! Bei 35 Grad im Mekong Delta, im Süden des Landes, beschlossen wir, es ist Zeit für Abkühlung und eine kleine Portion Abenteuer. Statt auf unserer geplanten Reiseroute über Laos und Kambodscha nach Bangkok zu reisen, hatte Google Flights eine bessere Antwort für uns: in unserer Preisklasse gab es Flüge nach Südkorea und Taiwan. Ersteres war als Destination um einiges teurer. Nach einem kurzen Blick in den Reiseführer präsentierte sich Taiwan als ein Wanderparadies. Gut, dann machen wir das eben. In drei Tagen ging es dann also nach Taiwan. Wissensstand über das Land: Null.

Schlechtwetter Hualien am Strand

Und genau das war es, was die Erfahrung so besonders machte. Natürlich stellten wir in den nächsten beiden Tagen noch schnell die üblichen Fragen: Welche Währung haben sie? Können wir da problemlos einreisen? etc. Ich kannte auch nur eine einzige Person, die dort gewesen war. Schnell also ein Whatsapp an eine liebe Arbeitskollegin geschrieben. Die Vorfreude auf das Ungewisse war riesig.

Eingekapselt in der Kälte

Die Ankunft war dann im wahrsten Sinne ein Kälteschock. Ja, wir wollten eine Abkühlung. Laut dem Wetterbericht hätte das aber von 35 Grad auf 25 Grad sein sollen. In der Tat zeigte das Thermometer bei unserer Ankunft aber gerade einmal 15 Grad an. Wir quartierten uns in einem Kapselhotel ein. In diesem futuristischen Design und mit unserem Schlafdefizit – wir hatten die Nacht halb am Flughafen und halb im Flugzeug verbraucht – schien es, als wären wir in Taipei in der Zukunft angekommen.

Wir waren noch nie zuvor in einer chinesischen Stadt gewesen. Zwar ist Taiwan theoretisch ein eigener Staat, aber China erhebt Anspruch auf das Territorium und das Land wird daher international von vielen anderen Staaten nicht anerkannt. Komplizierte Sache… Fakt ist aber, hier ist alles viel strukturierter und organisierter als in China. Trotzdem ist Mandarin die offizielle Sprache. Für uns vor allem eine interessante Erfahrung, weil wir absolut nichts lesen konnten. Zum Glück sind zumindest die Zahlen dieselben, die wir benutzen. Also wir wussten, was die Dinge kosten, aber nicht was die Dinge sind. Ist ja schon einmal ein Anfang…

Und dann ging es ab in die Berge

Unsere Hauptziele waren die vielen Nationalparks und unglaublichen 100 Berge über 3.000 Meter!!! Unsere Spontanität machte uns anfangs aber einen Strich durch die Rechnung.  Einfach so in die Berge zu fahren, ist in Taiwan ein Ding der Unmöglichkeit. Für einen Wanderweg, den in Österreich sogar Kinder problemlos bewältigen könnten, braucht man hierzulande eine Berechtigung. Dieser Bürokratie-Wahnsinn geht soweit, dass oft sogar zwei dieser Berechtigungen notwendig sind: einmal für den Eintritt in den Nationalpark und einmal von der Polizei am Anfang jedes Wanderwegs. Bei beliebten Wanderwegen ist der Zugang beschränkt und man muss oft Wochen im Vorhinein reservieren. Das ist nur online möglich. Stur wie wir sind kämpften wir uns genervt durch die ganzen Formalitäten. Viele davon auf Chinesisch. (Danke Google Translator) Das Resultat: zwei von den drei angefragten Erlaubnissen haben wir erhalten.

Endlich einen „gscheiten“ Berg

Nachdem wir die erste Wanderung mit Übernachtung absolviert hatten, war unsere Hoffnung, dass wir auch einen 3.000er besteigen durften, gleich Null. Wir hatten a) zu spät angefragt b) handelt es sich um eine unglaublich beliebte Route und c) wir brauchten ein „Mountain Experience Document“. In unserem Fall war das eine Auflistung in Word über Wanderungen, die wir absolviert hatten. Lol Das war auch der Grund, wieso wir uns in einem Supermarkt die billigsten Schlafsäcke gekauft hatten. Für die Wanderung auf über 1.000 Meter waren sie ja auch gut genug.

Und dann plötzlich zwei Tage vor Start der Dreitageswanderung kam die E-Mail. Ok, wir hatten uns eigentlich schon auf was ganz Anderes eingestellt. Aber die Chance wollten wir natürlich nutzen. Zum Glück, denn die Wanderung war es auf jeden Fall wert und zum ersten Mal konnten wir auch erleben, wie die Luft so auf fast 4.000 Metern ist….

Eine gute Ausrüstung ist die halbe Miete

… und wie schweinekalt es auf über 3.000 Metern in der Nacht werden kann. Mit unseren Schlafsäcken mit einer Comfortzone von 15 Grad übernachteten wir in Hütten bei Außentemperaturen von ca. 5 Grad. Unter Berghütten auf Taiwanesisch kann man sich Metallboxen vorstellen und Taiwanesen lieben es „durchzulüften“. Da bleibt dann die Tür nach draußen auch bis zehn am Abend noch offen. Unser Rezept gegen die Kälte war alles anzuziehen, was sich in unserem Rucksack befand. Neben zwei Paar Socken waren das persönliche Höchstleistungen von drei Hosen (Guille) und fünf Oberteilen (Nora).

Aber zur persönlichen Verteidigung muss ich sagen, dass sogar die Taiwanesen in ihren Mount-Everest-Schlafsäcken in voller Montur schliefen. Ausrüstung scheint hier in Taiwan übrigens Statussymbol zu sein. Für eine lange, aber technisch einfache Wanderung, schleppen sie zum Beispiel Folgendes den Berg rauf: Walkie-Talkie, Campingkocher, Campinggeschirr, Goratex-Jacke, Daunenjacke, Regenjacke, Knieschützer, Regenschutz für die Schuhe, Ausgeh-Schuhe (ja im Ernst, weil in der Hütte kann man ja nicht wieder die Bergschuhe anziehen), Regenschirm (gegen die Sonne), fette Spiegelreflex-Kamera mit Stativ usw. Teilweise sind dann die Wanderer kleiner als ihre Rücksäcke. 😉 😉 So muss das Wandern doch erst richtig Spaß machen.

Und dann kamen Ian und Noelle

Wie gesagt, wir wussten wenig über Taiwan. Daher hat es uns so richtig überrascht, dass ein ehemaliger Studienkollege aus Schweden uns auf Facebook kontaktiert hatte. Er hat gesehen, dass wir nach Taiwan flogen und wollte sich mit uns treffen. Ich wusste zwar, dass er in Ostasien lebte, mehr aber nicht. Was soll ich sagen? Das Treffen war eines dieser Begegnungen der anderen Art. Immerhin war es über fünf Jahre her, dass wir ihn das letzte Mal in Spanien (ja er ist auch Spanier 😉 gesehen hatten. Aber von einer auf die anderen Minute waren wir wieder auf einer gemeinsamen Wellenlänge und haben bei zwei gemeinsamen Abendessen die alten Zeiten in Schweden wieder aufleben lassen. Seine Freundin, eine Taiwanesin, und er haben uns so viele Tipps für das Land gegeben und einfach dafür gesorgt, dass wir eine wahnsinnig gute Zeit hatten. Tausend Dank, solche Momente machen das Reisen so richtig speziell.

Mittlerweile sind wir wieder in Taipei und Überraschung: gestern war der erste Tag von vielen, an denen es hier nicht geregnet hat. Das Wetter in Taiwan ist nämlich wie ein großes Kinder-Überraschungsei. Nur statt Spiel, Spaß und Schokolade gibt es dann eben Regen, Nebel und ganz selten Sonne.

Macht aber alles nichts: das Wetter wird, wenn sonst alles passt, eben einfach nebensächlich. Genauso wie es jetzt völlig egal sein wird, ob es in Bangkok bei unserem nächsten Stop schneit oder hagelt oder sonst was. Wir treffen uns nämlich mit zwei weiteren lieben Menschen. Ab dann dürft ihr uns „Honeymoon-Crasher“ nennen. 😉 Wir haben es vergangenes Wochenende nämlich nicht auf ihre Hochzeit geschafft, daher sind wir jetzt das dritte Rad am Wagen, die sie auf ihrer Hochzeitsreise zwei Tage (Update: aus zwei wurden dann noch vier Tage) belästigen. Aber definitiv zwei sehr glückliche dritte Räder.

Que vivan los novios!

Es lebe das Braupaar!