Iran ist ein Land, in dem die Bevölkerung wirklich nicht vom Glück verfolgt wird: international wird der Staat schon seit Ewigkeiten von den USA & vielen anderen Ländern sanktioniert und auch national lässt der religiöse Führer des Landes nur wenig Spaß zu. Wie man trotzdem sein Leben in vollen Zügen genießen kann, zeigen die Iraner mit Bravur und lassen Touristen nur allzu gern an diesem Leben teilhaben.

Wenn man sich die Verbote im Iran ansieht, könnte man meinen, dass sich irgendjemand einen Spaß erlauben wollte: Frauen dürfen nicht Fahrradfahren, Männer keine Krawatte tragen, Singen in der Öffentlichkeit ist verboten und selbst das extrem beliebte Wasserpfeifenrauchen wurde bereits einmal auf die schwarze Liste verbannt. Da verstanden die Iraner dann aber keinen Spaß mehr und sich durchgesetzt. Doch auch generell gilt bei allen anderen Verboten: es gibt immer für alles Schlupflöcher. Selbst beim obligatorischen Kopftuch und der weiten, die Knie bedeckenden Kleidung beherrschen die Iranerinnen das Spiel mit dem Feuer. Vor allem im Iran wird dann der Stoff des Tuches nur mehr am Pferdeschwanz getragen und zeigt mehr Haare als es, . bedeckt. Die Kleider, die über den Hosen getragen werden müssen, verlieren kontinuierlich an Stoff. Und ohne Makeup und rotem Lippenstift geht sowieso viele nicht mehr außer Haus.

Das erste Mal „Köpflein wickel dich“

Trotzdem war das erste Mal dieses Kopftuch zu tragen ein komischerweise sehr emotionaler Moment. Sobald das Flugzeug am Flughafen in Teheran gelandet ist, beginnt die Verhüllung. Iranerinnen, die zuvor im Ausland ganz legere gekleidet waren, wickeln ihren Kopf gekonnt in Tücher. Für mich war das Ganze ein Einschnitt in meine Freiheit. Zu sehen, wie all diese emanzipierten Frauen plötzlich wieder klein beigeben müssen, empfand ich als unfair. Aber das Gute daran ist, dass man sich spätestens nach ein bis zwei Tagen daran gewöhnt. Spätestens wenn man sich am kollegialen Kopftuchshopping beteiligt und die Kopfbedeckung anderer Frauen kommentiert, ist man vollständig als Frau im Iran angekommen. Fairerweise muss man noch dazusagen, dass ich mich nie schlecht behandelt fühlte. Natürlich haben Frauen hier viel weniger Rechte, aber die Bevölkerung lebt das in der Öffentlichkeit zum Glück ganz anders. Zumindest als Touristin kann ich mich dazu überhaupt nicht beklagen.

Wo ist bitte unsere Einladung?

Unsere Erwartungen an den Iran waren galaktisch hoch. Nach zig Reiseberichten, in denen alle von der Schönheit der Architektur, der Einzigartigkeit der Natur und der grenzenlosen Gastfreundschaft sprachen, wollten wir genau diese drei Punkte serviert bekommen. Nummer Eins und Zwei offenbarte sich uns auch sofort nach den ersten Tagen. Die Moscheen und Paläste sind unbeschreiblich schön und so ganz anders, wie alles, was wir bis jetzt gesehen hatten. Die Landschaft ist zwar sehr trocken und braun, aber überraschenderweise gibt es Berge, Täler, Schluchten und Felsformationen im ganzen Land verteilt. Zwei riesige Wüsten und trotzdem auch Landstriche mit saftigem Grün runden das Ganze noch ab. Der Punkt mit der Gastfreundschaft ließ dann aber noch etwas auf sich warten.

Auf zum touristischen Highway

In Iran gibt es Touristen und gar nicht mal so wenige. Der Großteil begibt sich auf eine ca. einwöchige Tour zu den Städten Kashan, Esfahan, Yazd und Shiraz. Natürlich ist man hier an Reisende mehr als gewöhnt. Alle Iraner sind hier wahnsinnig freundlich, viele fragen einen woher man ist und ab und an wird man auf einen Tee eingeladen. Einheimische bieten sich außerdem oft kurzfristig als lokale Guides an. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Taxifahrer und Shop-Betreiber, die in dir ein laufendes Dollarzeichen sehen. Wie auch überall auf der Welt mussten wir–wenn auch wesentlich seltener – diskutieren und klarstellen, dass wir „nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen sind“. Hinzu kam wieder mal das Chamäleon Guille. Eine der Gründe, wieso uns wesentlich weniger Einheimische ansprachen, war seine extreme Ähnlichkeit mit den iranischen Männern. Der Moschee-Test hatte es uns bewiesen. Während Einheimische nämlich in historische Gebäude oft gratis kommen oder nur einen Bruchteil des Eintrittspreises bezahlen, steht bei uns westlichen Touristen oft ein bis zu zehn Mal so hoher Betrag auf dem Ticket. So einige Male ist Guille da einfach davon spaziert, während der Iraner mit der mobilen Ticketkasse nur hinter mir her war. 😉

Guille Iran Kurdistan Hut

Kurdistan und Lorestan

Danach führte uns die Route in den Nordwesten des Landes (die Regionen Kurdistan und Lorestan). Dort erlebten wir die iranische Gastfreundschaft par excellence. Mit einer Gründe war wahrscheinlich auch, dass wir in zwei Wochen gerade einmal eine Handvoll weitere Touristen sahen. Viele wollten mit uns sprechen, uns einladen, mit uns Zeit verbringen. In Supermärkten und Restaurants wollten viele außerdem kein Geld annehmen. Immer wieder mit dem Argument, dass wir doch Gäste in ihrem Land seien. Für kurze Zeit fühlt man sich in Iran wirklich als Popstar, der gerade ein neues Album herausgebracht hat. Für das Ego ist eine Iranreise also auf jeden Fall was.

Kommunikation über Mr. Magic

Viele Male landeten wir bei iranischen Familien zuhause und wurde wahnsinnig gut behandelt: da gab es Mittagessen, dann kam der Tee, dann das Obst, dann Nüsse, kurz noch was Süßen und wir durften nicht vor einem weiteren Tee das Haus verlassen. Eine Essenseinladung kam dann auch einher mit der Aufforderung doch bitte bei ihnen zu übernachten. Dieses Angebot lehnten wir aber des Öfteren ab. Wir liebten es, die lokale Kultur kennenzulernen und Zeit mit ihnen zu verbringen. Bei der verbalen Kommunikation half uns zum Glück das Handy und diverse Übersetzungsprogramme (Google Translator – oder wie ein Iraner meinte „Mr. Magic“). Denn nicht selten war „Hallo“ und „Tschüss“ die einzigen zwei Wörter, die unseren gemeinsamen Wortschatz ausmachten. Hier dann einen ganzen Abend und Übernachtung zu verbringen, wäre dann doch etwas schwieriger gewesen. Zum Glück gibt es aber noch die Sprache der Bilder. Wenige Wörter sind nötig, wenn wir Fotos vom Strand in Barcelona, den schneebedeckten Bergen in Österreich oder von unseren Lieben zuhause zeigten. @Mama, Nina, Moraledis, Kathi, Bezi, meine Münchner Mädels & Co.: Ihr seid jetzt so einigen Familien in Iran bekannt. 😉

Zu Gast bei Taras Familie

Am besten in Erinnerung bleibt uns auf jeden Fall der Besuch bei Taras Familie. Das Mädchen, das als einzige aber dafür sehr gut Englisch sprach, war gerade bei ihrer Tante zu Besuch und entdeckte uns in einem Supermarkt. Sie wollten uns unbedingt zu sich nach Hause einladen. Da es am selben Abend nicht klappte, tauschten wir Nummern aus und nannten ihnen den Namen des Hotels. Nach einem Telefonat am nächsten Abend schien eine Verabredung mit unseren Terminen nicht zu klappen. Sie schlugen den nächsten Abend vor, da war unsere Reiseroute aber schon eine andere. Da aber Spontanität anscheinend kein Problem war, erhielten wir eine Stunde später einen Anruf unseres Rezeptionisten. In gebrochenem Englisch meldete er sich mit „Help down“. Zum Glück waren wir sowieso gerade auf dem Weg nach draußen, denn wir hatten spezielle Gäste erhalten. An der Rezeption standen Tara, ihre Tante und ihr Vater. Viel gab es nicht zu diskutieren, die Pläne waren bereits ohne uns gemacht worden. Los ging es mit dem Taxi in das Domizil der Tante. Dort erwartete uns dann ein fünfstündiger Familienmarathon sondergleichen. Wir nahmen auf ihrem Sofa Platz und es wurden uns unzählige Personen vorgestellt: die zweite Tante, zwei kleine Zwillinge, der Großvater, die Nachbarin, die Nachbars-Kinder etc. Jedes einzelne Wort von uns wurde im Detail von Tara übersetzt. Wir füllten uns wie die Hauptdarsteller in einem Kinofilm. Noch dazu wurden unzählige Familienmitglieder in ganz Iran per Telefon kontaktiert. Die News, dass gerade zwei Touristen auf ihrem Sofa saßen, verbreitete sich im Lauffeuer. Immer wieder entschuldigten sich Onkeln, noch mehr Tanten, Mütter, Brüder etc. am Telefon, dass sie heute nicht hier sein konnten.

„Anstrengender als Marathon-Laufen“ (Zitat Guille)

Sie behandelten uns unglaublich gut. Während die beiden Tanten wie zwei Wirbelwinde vom Supermarkt nach Hause sausten um mit dem Kochen des Festessens zu beginnen, wurden wir mit Obst, Tee und Süßem versorgt. Besonders anstrengend machte das Ganze aber das Verhaltenssystem „Taarof“. Dabei handelt es sich um eine Verhaltensweise, bei der man die andere Person mit übertriebener Freundlichkeit behandelte und Gäste besser als die eigene Familie. Das bedeutet z.B., dass man Angebote nie beim ersten Mal annehmen sollten, sondern mindestens einmal, wenn nicht sogar zweimal, ablehnen sollte. Zudem muss man fast alle zehn Minuten seine Dankbarkeit ausdrücken und alles in höchsten Tönen loben. Das geht sogar soweit, dass der Wunsch, langsam nach Hause zurückzukehren, mehrmals ausgeschlagen wird. Das heißt, man muss ganz genau planen, wann und in welchen Abständen man dies erwähnt, denn zwischen jeder Erwähnung liegt im Schnitt eine Stunde und noch viel mehr Essen!

Irgendwann nach Mitternacht haben wir es dann noch geschafft aus dieser Endschloss-Schleife auszubrechen und die Nachbarin hatte sich auch gleich als Taxifahrerin gemeldet. Die ganze Familie versammelte sich auf der Straße und es wurde geküsst, gelobt, umarmt und gedrückt (natürlich unter Einhaltung der Geschlechtertrennung). Jeder der im Mini-Auto Platz hatte, kam natürlich noch bis zu der Hoteltür mit. Der Rest der Familie versammelte sich als kleine Traube mitten auf der Straße und winkte schier um die Wette. Langsam tuckerten wir davon. Wir waren hundemüde, hatten dafür aber einen einmaligen Abend erlebt. 😉

Von LKWs, Lieferwagen und Polizeiautos

Allgemein bin ich kein großer Fan von Autostop. Wir hatten es zwar einige wenige Male in anderen Ländern genützt, aber die Tatsache ewig lange auf der Straße zu stehen und zu warten, nervt. Ganz anders in Iran. Egal, wo man sich befindet, länger als zehn Minuten dauert es nie. So gut wie jeder ist bereit, einen ein Stück mitzunehmen. Nach den ersten geglückten Versuchen entwickelte sich daraus fast eine Sucht. Es war nämlich die Möglichkeit, viele Iraner privat kennenzulernen, lustige Gespräche und Persönlichkeiten kennenzulernen und natürlich auch die verschiedensten Transportmöglichkeiten auszuprobieren. Einmal saßen wir neben unzähligen Kisten Gemüse und Obst, dann wieder standen wir am hinteren Teil einer Ladefläche und zuletzt durften wir auch mit einigen LKW-Fahrern in der Kabine mitfahren. Durch Zufall waren es sogar zwei Polizisten in Zivil, die uns mitnahmen. Als sie uns ihre Ausweise mit einem seriösen Gesichtsausdruck präsentierten und wenig dazu erklärten, ahnte ich bereits Böses. Das große Fragezeichen war nämlich: Ist Autostop in Iran eigentlich erlaubt? Die ganze Angst war aber komplett umsonst. Statt uns auf die Polizeistation zu bringen, endeten wir bei ihnen zuhause im Esszimmer und wurden von der Mutter mit leckerem Iranischen Essen versorgt.

Iranische_Familie

Ich könnte euch jetzt noch so viele unzählige Beispiele aufzählen, wo sich ein oder mehrere Iraner uns angenommen hatten. Das würde aber bestimmt den Rahmen dieses Artikels sprengen. Zum Stichwort „sprengen“ noch kurz eine Info: Iran ist eines der sichersten Länder, in denen wir jemals waren. Die Medien lieben es das Land schlecht zu reden und auch die politischen Führer tragen nicht gerade ihr Besten dazu bei, dass Iran international ein gutes Image hat. Dafür sind es aber die unzähligen hausgemachten Kebabs, die wirklich ernst gemeinten Einladungen in ihre eigenes Zuhause, wahnsinnig viele Fragen an unsere Herkunft und extrem offene Lächeln, die einem das Gefühl geben, dass man sich gerade an einem ganz besonderen Ort befindet.