Peru ist das Wanderparadies schlechthin. Schneebedeckte Berge und 6.000er gibt es im Überfluss. Da stand für uns schon vor der Anreise fest, dass unsere Wanderschuhe sich nur wenig langweilen werden. Unter anderem stand die Huayhuash-Tour auf unserer Liste. 7-14 Tage in der angeblich schönsten Bergkette der Welt. So gesagt von einem Amerikaner, der wie ein Duracell-Hase eine Strecke von 8 Tage in 4 zurückgelegt hat und der musste es schließlich ja wissen.
Logs ging es also mit der Planung des Huayhuash. Unserem Motto „ohne Bergführer geht’s immer“ blieben wir treu. Alles Nötige wurde daher in unseren Rucksack gepackt: Schlafsäcke, Zelt, Campingkocher und jede Menge Essen. Auf der Tour gibt es nämlich nur eine einzige Nahrungsquelle und das ist ein Mini-Dorf am sechsten Tag. Mit ins Gepäck kamen auch Coca-Blätter, ein Rezept der Einheimischen gegen die Höhenkrankheit. Vor diesem Problem hatten wir auch sehr viel Respekt. Zum Glück hatten wir aber die 1,5 Monate zuvor in Peru sehr gut genutzt und uns akklimatisiert. Die meiste Zeit schliefen wir auf mindestens 3.000 Metern und viele Wanderungen führten uns auf 4.000-5.000 Meter.
Am 29. September um 4 Uhr klingelte dann unser Wecker. Die Anreise sollte dann nämlich fast 6 Stunden dauern. Es ging zunächst im wahrsten Sinne des Wortes durch die Pampa – das Wort stammt übrigens aus der Sprache Quechua, welche die Inka damals und einige Peruaner heute noch sprechen – ein Minibus schlängelte sich durch die Anden. Oft war die Straße gerade mal so breit wie der Bus und die Passagiere mussten sich gut festhalten um nicht aus den Sitzen zu kippen. Endlich angekommen, ging es mit dem ersten Fußmarsch los. 3,5 Stunden und 12 Kilometer an einem Weg den Berg hoch. Es gab wenig Verkehr, nur einige Tourbusse, die den Komfort eines Taxis zum Startpunkt genossen. Wenn mich aber wer fragt, ob ich für eine 8-Tageswanderung inkl. Bus, Berg-Guide und täglichen Gepäckstransport per Esel im Schnitt 500-700 Euro zahle, würde ich wieder zu Fuß gehen. 😉
Der erste Tag klang dann ruhig aus. Wir und zwei Trekking-Gruppen teilten uns den Campingplatz. Der Kontrast hätte gravierender nicht sein können: Wir mit unserem Ultra-Leichtzelt, wo das aufrechte Sitzen schon schwer fällt und die Gruppen mit mindestens 6 Zelten – zwei große davon als Restaurant und Küche im Gebrauch. Als dann aber das Unwetter am späten Nachmittag hereinbrach, war das Luxus-Niveau dann aber völlig egal. Alle flüchteten vor dem Hagel in ihre Zelte. Unser Gedanke war nur: Wir haben ein 3-Wetter-Zelt, aber ist da auch Hagel mit inbegriffen? Als wir wenig später – bei nur mehr Regen – aus den Zelten schauten, war der Boden von einer 2-Zentimeter-hohen Hagelschicht bedeckt. Gut, immerhin handelte es sich doch um Wetterkapriolen auf 4.200 Metern.
Eine eisgekühlte Bergdusche
Dass die Nächte hier besonders kalt wurden, erfuhren wir dann in den nächsten Tagen. Unsere 0-Grad-Schlafsäcke stießen manchmal an ihre Grenzen und dann wurde die Daunenjacke schnell zum Teil des Pyjamas. Das hielt uns aber nicht auf, uns jeden Tag eine wohlverdiente Dusche in eiskalten Gletscherlagunen und Gebirgsflüssen zu holen. Faustregel: Das ganze darf nur 20 Minuten nach Ankunft am Campingplatz erfolgen, ansonsten ist die Überwindung unmöglich.
Am zweiten Tag fing dann der tatsächliche Huayhuash-Kurs an. Es ging gleich mal auf 4.800 Meter und an einigen traumhaft schönen Lagunen vorbei. Guille und ich legten eine extra halbe Stunde ein, da uns unsere Karte und das Handy in die Irre führten. Eine idyllische Lagune, die am Fuße eines riesigen Gletschers lagt und unser Lager für die Nacht war, fanden wir aber trotzdem. Hier lag unser Campinglatz. Anstatt uns mit den insgesamt drei Tourgruppen an einen von den zwei Campingplätzen zu quetschen, entschieden wir uns für den Premium-Platz direkt am See. (siehe Foto)
Die Kommunikation mit den Tourgruppen war zu Beginn etwas eigenartig. Wir wurden ganz kritisch als eine Mischung von Hippies und Moglis (aus dem Dschungelbuch) betrachtet. Anstatt eine ganze Gefolgschaft um uns zu haben, befand sich alles in unseren Rücksäcken. Das hieß unter anderem täglich Wäsche zu waschen und uns eben zu duschen. Man glaubt es kaum, aber der große andere Teil war anscheinend wasserscheu und beäugte uns ganz kritisch.
Zum Glück lockerte sich die Atmosphäre aber recht bald. Schließlich trafen wir dieselben Gruppen immer wieder. Dann gab es für jeden einen Kosenamen. Da gab die Koreaner (Tourgruppe I), die Deutschen (Tourgruppe II), die gemischte Gruppe aus jungen Amerikanern, Israelis und einer Schweden (Tourgruppe IV), eine Brasilianerin mit privatem Bergführer und wir als die „Mochileros“ (Rucksackreisenden).
Wenn Wanderschuhe überbewertet werden…
Die beste Anekdote gab es unter uns übrigens zur Brasilianerin. Sie war die meiste Zeit mit Flip Flops unterwegs. Sie kletterte damit also auf extrem steile und schwierige Wege auf ca. 5.000 Höhenmetern herum. Schnell bekam sie von uns den Spitznamen, die mit den Flip Flops.
Die Strecken jeden Tag waren wirklich immens anstrengend. Die zurückgelegte Höhe lag zwischen 600 und 1.200 Metern. Auf einer derartigen Seehöhe ist jeder Schritt allerdings doppelt so schwierig. Noch dazu mit dem ganzen Equipment in den Rucksäcken. Obwohl es sich eindeutig um die schwierigste Wanderung in unserem Leben handelt, ist es das auf jeden Fall wert. Die Landschaft hier ist unbeschreiblich schön. Die Route führt nicht nur an blitzblauen Lagunen vorbei, sondern zeigt einem so viele Gletscher und schneebedeckte Berge wie nur vorstellbar. An den Campingplätzen hört man nachts oft das Eis knacken und das einzige weitere Geräusch ist das frische Bergwasser, das von den 6.000er-Gipfeln herunterkommt. Hier sind echt alle Wanderer extrem fit – muss man ehrlich gesagt aber auch, um diese Route erfolgreich zu beenden.
Huayhuash: Es geht immer noch mehr
Von der Einzigartigkeit der Landschaften ließen wir uns des Öfteren hinreißen und versuchten so viel wie möglich in einen Tag zu packen. Das bedeutet zB nach einer 6-Stunden-Wanderung über einen 5.000-Meter-Pass einen „Ausflug“ zu einem besonders bekannten Aussichtspunkt zu machen. Der Haken dabei war nur, dass dieser ebenfalls wieder auf 5.000 Meter lag und wir mussten in etwas mehr als einer Stunde 500 Höhenmeter zurücklegen. „Die Wand“ ist wohl die beste Beschreibung für den Weg dorthin. Beim Hinaufklettern fragte ich mich die ganze Zeit, ob wir denn komplett irre sind. Aber zum Glück: Der Ausblick von dort oben war echt der Wahnsinn!!! Sowas hatte ich zuvor noch nie gesehen. Am besten ihr seht es euch in dem Foto hier selber an.
An diesem Tag waren wir extrem k.o. und unserer Lucy (= Zeltlicht) ging schon um 8 Uhr abends das Licht aus. Das hört sich jetzt extrem früh an, aber ehrlich gesagt länger als bis 9 oder allerspätestens 10 Uhr schaffen wir es sowieso nicht wach zu bleiben. 😉
Die ersten Tage hatten wir extremes Glück mit dem Wetter. In der Früh und am Abend war es bitterkalt, dafür kam aber untertags immer die Sonne raus. Theoretisch war ein kurzärmeliges T-Shirt kein Problem. Allerdings durfte man nicht auf die Mördersonne vergessen. Es flutschte Sonnencreme ohne Ende und ich hatte eine meiner „das erste Mal“-Erfahrungen. Diesmal: Sonnenbrand auf den Finger. 😉
Das Wetterglück hielt dann nur noch kurz an und es brach Nebel, Schnee und Regen über uns herein. Unsere Traditionsgruppe löste sich dann plötzlich auf – einige gingen verschiedene Routen bzw. die Koreaner mussten aufgrund der Höhenkrankheit etwas kürzer treten – und am nächsten Tag blieben nur mehr wir und Samanta (Brasilianerin) und ihr Bergführer (Miguel) übrig. Mit ihnen wanderten wir dann ein Stück gemeinsam und tauschten Geschichten aus. So erfuhren wir zB dass Samanta schon seit fünf Jahren durch Südamerika reiste. Der Campingplatz an diesem Abend war riesig und nur von zwei kleinen Zelten belegt. Aufgrund des dichten Nebels dann aber auch egal, denn weiter als zwei Meter reichte die Sicht nicht. Übrigens an diesem Tag gab es dann doch noch eine Überraschung: Bei teilweise schneebedeckten Trekkingrouten zog Samantha doch Turnschuhe an. 😉
Tja und das war er also: Huayhuash – der definitiv schönste Trek der Welt und wir würden es wieder tun. Auch uns mit eiskaltem Wasser aus Gletscherlagunen zu waschen. Auf der Rückreise waren nämlich zwei andere junge Wanderer mit uns im Bus. Unter anderem aßen wir mit ihnen gemeinsam im selben Restaurant und am selben Tisch. Was es also bedeutet sich ungefähr eine Woche so gut wie nicht zu duschen, konnten wir hautnah bzw. nasennah miterleben. Es lebe daher eindeutig das Wasser!
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